Chancen und Risiken der Abmahnung

Abmahnungen und die darauf abgestimmte Reaktionen sollen einen Konflikt schnell, rechtssicher, dauerhaft und mit verhältnismäßig geringen Kosten beenden. Trotz dieser zunächst vorteilhaften Argumente für eine Abmahnung ist eine differenzierte Betrachtung erfordrlich, da mit einer Abmahnung neben den genannten Vorteilen auch Nachteile verbunden sein können. Chancen und Risiken sind zudem von der jeweiligen Perspektive als Abmahnender oder Abmahn-Empfänger abhängig.

Übersicht

Obwohl Unterlassungsansprüche regelmäßig auch unmittelbar gerichtlich geltend gemacht werden können, z.B. durch den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung und/oder eine Unterlassungsklage, kann und sollte aus den vorgenannten Gründen regelmäßig vorab eine (außergerichtliche) Abmahnung erfolgen. Eine Abmahnung hat regelmäßig sowohl für den abmahnenden Anspruchsinhaber als auch für den abgemahnten Unterlassungsschuldner verschiedene Vorteile und Chancen. Daneben sind jedoch auch Risiken zu berücksichtigen. Insgesamt muss für jeden Einzelfall eine individuelle Entscheidung getroffen werden, ob vom Instrument der Abmahnung Gebrauch gemacht werden soll.

Abmahnender / Anspruchsinhaber

Chancen für den Abmahnenden (Anspruchsinhaber) bestehen zunächst in der schnellen, rechtssicheren und dauerhaften Erledigung des Rechtsstreits. Außerdem vermeidet der Abmahnende das prozessuale Kostenrisiko des § 93 ZPO für den Fall eines doch erforderlichen gerichtlichen Verfahrens. 

Dem stehen aus Sicht des Abmahnenden Risiken vor allem durch eine Zeitverzögerung für den Fall gegenüber, dass die Abmahnung nicht erfolgreich verläuft, d.h. die Unterlassungs-/ Verpflichtungserklärung vom Abgemahnten nicht abgegeben wird. Außerdem hat eine Abmahnung immer eine vorwarnende Komponente, welche mit der Abmahnung verloren geht. Überraschungseffekte gehen verloren und sind nach einer Abmahnung nicht mehr erfolgversprechend zu realisieren. In verschiedenen Fallkonstellationen ist auch die Öffentlichkeitswirkung bei der Risikobewertung zu berücksichtigen. Insbesondere bei Social-Media-Bezügen besteht die Möglichkeit, dass auch uneingeschränkt berechtigte Abmahnungen unsachlich-laienhaft teilweise heftiger Kritik ausgesetzt sind („Shitstorm“), welche sich insgesamt negativ auf Außenwirkung und Image des Abmahnenden auswirken kann. Schließlich kann eine fehlerhafte Abmahnung als sog. unberechtigte Schutzrechtsverwarnung Gegenmaßnahmen, z.B. eine Gegenabmahnung auslösen, was die Ausgangsposition des Abmahnenden als Angreifer in ihr Gegenteil verkehren kann. Als Verteidiger befindet er sich nunmehr in der Rolle eines Abgemahnten und muss nun aus Sicht eines Abgemahnten eine gegenläufige Chancen-/Risiko-Bewertung vornehmen (s.u.) 

Abgemahnter / Unterlassungsschuldner

Die Chancen des Abgemahnten bzw. Abmahn-Empfänger (Unterlassungsschuldner) bestehen vor allem darin, dass dieser durch eine individuell angepasste Reaktion diejenigen Kosten minimieren kann, welche er dem Abmahnenden erstatten muss. Neben den unmittelbaren Verfahrenskosten können die Rechtsverletzungen z.B. durch Schadenersatzpflichten umfangreiche weitere finanzielle Forderungen auslösen, welche bei andauernden Verletzungshandlungen im Zeitablauf ständig zunehmen. Die auf eine Abmahnung hin frühzeitig vorgenommene Unterlassung minimiert diese Zusatzbelastungen. Insgesamt stellt sich auch aus Sicht des Abgemahnten die KostenreduktionSchadensminimierung und Vermeidung weiterer finanzieller Belastungen als zentraler Vorteil der Abmahnung heraus. 

Die Abmahnung bzw. die auf die Abmahnung hin abgegebene Unterlassung-/ Verpflichtungserklärung beinhaltet allerdings auch Risiken für den Abgemahnten. Allgemein erfolgt eine Einschränkung der (geschäftlichen) Handlungsmöglichkeiten des Abgemahnten im Umfang der abgegebenen Unterlassungserklärung. Dies gilt regelmäßig auch in den Fällen, in welchen die Abmahnung unberechtigt, z.B. zu weit formuliert war. Deshalb ist vor der Abgabe der Unterlassungs-/ Verpflichtungserklärung immer eine besonders sorgfältige Prüfung der Abmahnung unerlässlich. Auch bei berechtigten Abmahnungen und hierauf abgegebener Unterlassungs-/ Verpflichtungserklärungen besteht das Risiko des Verstoßes gegen diese. Damit ist die vereinbarte Vertragsstrafe verwirkt, was zu zusätzlichen finanziellen Belastungen führen kann. Gelegentlich können in der Praxis auch Fälle beobachtet werden, in welchen der Abmahnende und spätere Unterlassungsgläubiger die weiteren Aktivitäten des abgemahnten Unterlassungsschuldners besonders genau beobachtet und in Verletzungsfällen konsequent Vertragsstrafen einfordert. Hieraus können dann häufig nicht unerhebliche Einnahmen beim Abmahnenden erzielt werden.


Tipp

Praxistipp: Besteht die Möglichkeit, dass ein Abmahnender einen besonderen, ggf. sachfremden Fokus auf die Erzielung von Einnahmen durch die Geltendmachung von Vertragsstrafen legt, sollte überlegt werden, die mit der Abmahnung geforderte Unterlassungs-/ Verpflichtungserklärung nicht abzugeben. Dann muss der Abmahnende zwar damit rechnen, dass er gerichtlich erfolgreich auf Unterlassung in Anspruch genommen wird. Die hierdurch entstehenden Mehrkosten könnten auf längere Sicht aber günstiger sein, da etwaige Verstöße gegen einen gerichtlichen Unterlassungstitel nicht mehr zu einer Vertragsstrafe führen, von welcher der Abmahnende finanziell profitiert. Stattdessen werden Ordnungsgelder verhängt, welche an die Staatskasse zu zahlen sind. Dies kann im Einzelfall das weitere Engagement eines finanziell orientierten Unterlassungsgläubigers deutlich reduzieren.


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