Markenrechtliche Immanenz im Kartellrecht

Markenrechtliche Immanenz ermöglicht bei der Gestaltung von Markenverträgen verschiedene Regelungen, die bei isolierter Betrachtung wegen Verstößen gegen das Kartellrecht eigentlich unzulässig wären. Die sog. Immanenzlehre macht hiervon Ausnahmen. Im Rahmen der markenrechtlichen Immanenz ist Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht anwendbar. Nachfolgend wird der Begriff der Immanenz definiert und es werden typische Regelungen und Musterformulierungen vorgestellt.

Begriff der markenrechtlichen Immanenz

Die Anwendung des Art. 101 Abs. 1 AEUV ist zunächst durch die sog. Immanenzlehre funktional beschränkt, welche insoweit für die Gestaltung von Markenverträgen bzw. deren kartellrechtlicher Würdigung eine wichtige Bedeutung hat. Nach der Immanenzlehre ist das Kartellrecht nicht auf Beschränkungen, die sich aus dem Wesen des Schutzrechts selbst ergeben anwendbar.

Nach Art. 345 AEUV muss das Kartellrecht u.a. auch Rücksicht auf die gewerblichen Schutzrechte wie das Markenrecht nehmen. Der EuGH nimmt auf dieser Grundlage Wettbewerbsbeschränkungen vom Tatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV aus, die sich auf eine Ausübung des „Inhalts“ oder „spezifischen Gegenstands“ des Schutzrechts beschränken (sog. Immanenzlehre). 

Der EuGH erkennt dabei auch und insbesondere die Herkunftsfunktion und die damit verbundene Garantiefunktion bezüglich der Qualität von Produkten an. Dies ist z.B. in zahlreichen markenrechtlichen Entscheidungen zu Parallelimporten von Arzneimitteln immer wieder betont worden[1].

Bisher noch nicht hinreichend geklärt ist allerdings, welche Klauseln eines Marken-Lizenzvertrages im Einzelnen durch den „spezifischen Gegenstand der Marke abgedeckt sind“.

Typische Regelungen

Markenrechtliche Immanenz ist in den nachfolgend genannten Fällen gegeben. Damit sind die nachfolgenden Konstellationen bzw. markenvertraglichen Regelungen vom Verbotsbereich des Art. 101 AEUV nicht erfasst:

  • Qualitätssicherungsklauseln
    • Vorbehalt der Freigabe von Produktmustern vor Produktionsaufnahme
    • Inspektions- und Zutrittsrechte
    • Vorgabe von Qualitätsstandards für die Produktion
  • Bezugsbindungen bei bestimmten Grundstoffen oder Vorprodukten
  • Pflichten zur Ausübung des Lizenzrechts
  • Verbot der Unterlizenzierung
  • Lizenzvermerke
  • Geheimhaltungsverpflichtungen bezüglich Herstellungsverfahren
  • Marketingklauseln
    • Vertriebsförderungspflicht
    • Verkaufsförderungspflicht
    • Werbepflicht
    • Zahlung von Werbekostenbeiträgen
  • Mindestklauseln
    • Mindestabsatzmengen
    • Mindestlizenzgebühren

Klauselbeispiele

Inspektions- und Zutrittsrechte:

1. Der Lizenzgeber ist berechtigt, zur Qualitätskontrolle die Herstellungsbetriebe des Lizenznehmers während der üblichen Geschäftszeiten zu betreten. Inspiziert werden dürfen insbesondere die Vertragsprodukte sowie die bei ihrer Herstellung verwendeten Verfahren, Methoden, Maschinen, Geräte und Zutaten. 

2. Soweit die Vertragsprodukte durch Dritte hergestellt werden, wird der Lizenznehmer eine der Ziff. 1 entsprechende Möglichkeit in den Herstellungsbetrieben des Dritten durch den Lizenzgeber durch geeignete vertragliche Vereinbarungen sicherstellen.

Vorgabe von Qualitätsstandards für die Produktion:

Der Lizenznehmer muss sicherstellen, dass die unter Benutzung der Lizenzmarken hergestellten Vertragsprodukte von einheitlicher und gleichbleibender Qualität sind. Die Vertragsprodukte müssen mindestens der für das jeweilige Produkt maßgeblichen oberen Qualitäts- und Preisklasse angehören.

Pflicht zur Ausübung des Lizenzrechts:

Der Lizenznehmer ist verpflichtet, diese Lizenz mindestens in dem Maße auszuüben, dass die Vertragsmarke für die Vertragsprodukte rechtserhaltend benutzt wird.

Verbot der Unterlizenzierung:

Der Lizenznehmer ist nicht berechtigt, Unterlizenzen an Dritte zu erteilen.

Lizenzvermerke:

Der Lizenznehmer ist verpflichtet, bei der textlichen oder schriftlichen Benutzung der Lizenzmarke, insbesondere auf den Lizenzprodukten oder ihrer Aufmachung oder Verpackung sowie in der Werbung, einen Lizenzvermerk anzubringen. Der Lizenzvermerk hat durch Verwendung des Symbols und einer Fußnote zu erfolgen, in der erläutert wird, dass die Lizenzmarke eingetragene Marken des Lizenzgebers ist. Die Verpflichtung zur Anbringung eines Lizenzvermerks besteht, soweit nicht im Einzelfall durch besondere Umstände Abweichungen gerechtfertigt sind.


[1] Vgl. etwa EuGH, 11.07.1996, verb. Rechtssachen C-427/93, C-429/93 und C-436/93, GRUR Int 1996, 1144, Rn. 75 – Bristol-Meyers-Sqibb

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